Blog Serfaus-Fiss-Ladis Backstage bei den Beschneiern Schneiber Christoph bei der Revision einer Schneekanone | © Seilbahn Komperdell GmbH | Andreas Kirschner
Blogautorin Andrea Serfaus-Fiss-Ladis | © christianwaldegger.com
Andrea

Backstage bei den Beschneiern - Teil 1

25.11.2021 · Dabei sein, Winter
Hast du dich auch schon mal gefragt, ob die Beschneier der Bergbahnen Serfaus-Fiss-Ladis im Sommer in kurzen Hosen am Strand liegen oder was sie in der schneefreien Zeit überhaupt so treiben? Warum nicht beschneit wird, auch wenn es Minusgrade hat? Wie Schnee eigentlich entsteht oder wie die 800 kg schweren Kinder von Frau Holle auf den Berg gelangen? Ich bin heute zu Besuch bei den Kollegen in Serfaus und gehe diesen und vielen weiteren spannenden Fragen auf den Grund.

Lesezeit: 5-6 Minuten

Auf Sommerlager

Fast alle Turmkanonen und Schneelanzen bleiben das ganze Jahr an ihrem Platz stehen und werden vor Ort einer LEIBESVISITATION unterzogen. Damit sie im Sommer möglichst gut ins Landschaftsbild passen, werden sie mit grünen Planen abgedeckt oder grün gestrichen. In Serfaus bekommen die Schneeerzeuger an drei Orten ein Sommerquartier: bei den Talstationen der Familienbahn Gampen und Planseggbahn sowie bei den Pumpstationen im Masner und auf der Hög. Mithilfe von Pistenbullys werden sie von ihrem Winterplatz zu ihren SOMMERLAGERN gebracht. Wenn sie für den Winter ausgedient haben, liegt ja noch reichlich Schnee. Und der Tapetenwechsel tut ihnen gut. In der Serfauser Werkstatt unterhalb der Talstation der Familienbahn Gampen wartet jedes Jahr die Generalsanierung auf die „Kinder“ von Frau Holle. Und genau dort schaue ich vorbei.

Der Urknall

In der Serfauser Bergwerkstatt wird gefachsimpelt. Naja, ich bin zwar technikinteressiert, aber was ein NUKLEATOR ist, das liegt mir nicht unbedingt auf der Zunge. Klingt erst mal gefährlich, ist es aber ganz und gar nicht. Eher magisch. Ohne Nukleator geht bei der Beschneiung rein gar nichts. Er ist das Herzstück einer jeden Beschneiungsanlage, sozusagen der URKNALL bei der Schneeherstellung. „In der Natur haftet der Schnee an einem Staubkorn. Bei technischem Schnee braucht es ein EISKORN und das wird eben durch diesen Nukleator gebildet. Direkt an ihm hat es immer arktische -30 Grad. Dabei spielt es keine Rolle, wie kalt es draußen ist. Beim Expandieren der Druckluft bildet sich genau an dieser Stelle das Eiskorn. An diesem bleiben dann die Wassertropfen der Düsen hängen und es bildet sich in Folge SCHNEE“, erklärt mir NORBERT Köhle, der Teamleiter bei den Beschneiern in Serfaus ist.

Kanonen, Kunst und Correctness

Bei meinem Besuch bei den Serfauser "Schneibern“ trete ich zugleich in zwei Fettnäpfchen. Gleich zu Beginn werde ich beim Gebrauch des Wortes SCHNEEKANONE korrigiert. „Andrea, das heißt Schneeerzeuger, nicht Schneekanone. Obwohl wir das Wort Kanone intern schon auch verwenden, aber wenn man es genau nimmt, ist es nicht richtig“, erklärt mir einer der Beschneier. Auch KUNSTSCHNEE rutscht mir mehrmals raus. Ups. Aber bin ich hier auch auf der falschen Fährte? „Bei Kunstschnee weiß natürlich jeder, was damit gemeint ist. Es heißt aber Maschinenschnee oder technischer Schnee. Künstlich ist am Schnee nämlich rein gar NICHTS. Unsere Anlagen werden mit einem Luft-Wasser-Gemisch betrieben. Es werden keinerlei chemischer Zusätze verwendet“, so Norbert.


Nach dem Winter ist vor dem Winter

Ist der Nukleator verstopft, funktioniert die gesamte Beschneiungsanlage nicht mehr. Damit das nicht passiert, nimmt Beschneier CHRISTOPH die Anlagen samt Nukleatoren Jahr für Jahr genaustens unter die Lupe. Aber das ist nur eine seiner Aufgaben. Angestellt ist er GANZJÄHRIG bei den Serfauser Bergbahnen, wie auch drei seiner Kollegen. Arbeit gibt es für die Jungs nämlich 12 Monate im Jahr. Im Spätherbst bekommen sie dann Unterstützung und das Team vergrößert sich von vier auf sechs Mitarbeiter. Von März bis November werden alle Schneeerzeuger, Unterflurschächte, Leitungen und Pumpstationen revisioniert. „Die Arbeiten vor dem Winter sind viel TECHNISCHER und für mich interessanter. Im Winter geht es dann mehr darum, dass die Anlagen laufen und überwacht werden“, erzählt mir Christoph.

Design

Ein sogenannter „TR10“ wird heute von ihm in der Werkstatt auf Herz und Nieren überprüft. Der ausgeklappte Schneeerzeuger erinnert mich an eine Fledermaus mit ausgebreiteten Flügeln oder viel mehr an einen DeLorean DMC-12, das Auto von Doc in ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT. Design spielt also auch bei Beschneiungsanlagen eine Rolle.

Nur echt mit 32 Düsen

„Die neuen Schneeerzeuger sind äußerst wartungsfreundlich“, erzählt mir Christoph beim Herausziehen des Frontringes, um besser an den Düsenventilkranz zu gelangen. Die Turbine gleicht einem FLUGZEUG, die kreisförmig angeordneten Düsen mit Keramikeinsatz einem weit aufgerissenen MAUL. Die Düsen müssen alle händisch entfernt und gereinigt werden. Ganz schön übel: Christoph zieht der Anlage vor dem Winterbetrieb alle Zähne, ähm schraubt alle Düsen heraus. Jedes Miniteilchen wird unter die Lupe genommen. Auf „Hygiene“ wird also auch hier geachtet. Das „Gebiss“ ist schließlich recht teuer und will gepflegt werden, damit es viele Winter hält.

Jede Düse besteht bei unserem Exemplar wiederum aus einem Viererteam, also vier Löchern. Durch die vierfache Schlagkraft verfügt die TR10 insgesamt über weniger Düsenelemente, worüber sich Christoph bei der jährlichen Wartung freut. Das Material muss dabei äußerst stabil sein, damit die Löcher nicht größer werden. Jede Düse muss einem Druck von 30 BAR standhalten. Das ist etwa das Vierfache eines herkömmlichen Druckluftkompressors in einer Heimwerkergarage.

Standardmäßig sind immer 5-6 „Düsen-Teams“ aktiv. Bei kälteren Temperaturen bekommen sie Unterstützung von den zuschaltbaren Düsen. Alles funktioniert VOLLAUTONOM und ist vorprogrammiert. Die Schneier können jedoch zwei Parameter festlegen: die Starttemperatur (= Feuchtkugeltemperatur) und die Schneequaliät (feucht/trocken).

Baden gehen

Düse ist nicht gleich Düse. Der Düsenventilkranz besteht nämlich aus den zuvor genannten Nukleatoren sowie fixen und zuschaltbaren Düsen. Christoph entfernt zuerst die acht Nukleatoren, die wie wertvolle Goldzähne aus dem Kranz blitzen. Die Reinigung erfolgt mit ULTRASCHALL und wird jedes Jahr nach bzw. vor dem Winterstart durchgeführt. Besonders beim Tauschen der Minidichtungen braucht Christoph FINGERSPITZENGEFÜHL. Aber warum müssen überhaupt alle Düsen Jahr für Jahr gereinigt werden? Bei 90 Stück ist das ganz schön viel Arbeit. „Die Rostpartikel würden den erzeugten Schnee verunreinigen“, erklärt Christoph.

Wassertest

Nun sind alle Düsen und auch der Wasserfilter des Schneeerzeugers gereinigt und es geht hinaus zum WASSERTEST. Dort sieht Christoph, ob alle Düsen funktionieren. Das schwere Gerät will bewegt werden: Rund 800 KILOGRAMM bringt der Schneeerzeuger auf die Waage. Mit einem Hubwagen wird er zum Eingang der Halle gestellt. Beschneit wird schließlich outdoor.

Abflug

Nachdem alle Schneeerzeuger die Revision in der Werkstatt oder direkt in der Pumpstation im Masner hinter sich haben, werden sie noch vor dem ersten Schneefall „aufgestellt“. An besonders exponierten Stellen werden sie mit dem HUBSCHRAUBER transportiert.

Die Schneeerzeuger warten verheißungsvoll auf ihre Reise. Es scheint, als würden sie sich über ihren Winterplatz freuen. Beim Anflug des Helis DREHEN sie aufgeregt ihre Turbinen. Vordrängen ist aber nicht drin. Denn es läuft alles stets nach einem strengen Plan.

Alles nach Plan

Die Jungs, der Pilot und der Flugbegleiter sind ein eingespieltes Team und arbeiten akribisch genau eine Prioritätenliste ab. Jeder Schneeerzeuger hat nämlich einen zugewiesenen Platz am Berg. Er wird direkt über einen UNTERFLURSCHACHT gestellt. Die sperrigen und gut sichtbaren Oberflurhydranten wurden durch Schächte ersetzt, die sich nahtlos in die Natur einfügen. Nur die Abdeckung siehst du in der schneefreien Zeit. Eine kleine Leiter führt über eine Einstiegsluke ins Innere des Schachts. Anschließend schließt ein Arbeitstrupp alles an, damit die Beschneiungsanlage betriebsbereit ist. Im Unterflurschacht laufen Wasser-, Luft- und Stromversorgung zusammen. Und da die Beschneiungsanlage ferngesteuert werden kann, braucht es auch ein Steuerkabel. Interessant: Die Anlagen können nicht nur von jeder Pumpstation gesteuert werden, sondern auch vom SMARTPHONE.

❆Wissenswertes

Der Schneeerzeuger orientiert sich immer an der sogenannten FEUCHTKUGELTEMPERATUR. Das ist das Verhältnis zwischen Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur. Ist beispielsweise „-2,5 Grad Feuchtkugel“ eingestellt, dann startet die Kanone, wenn dieser Wert erreicht wird bzw. der Schwellwert für längere Zeit leicht unterschritten wird. Bei Abweichungen geht sie automatisch in den Modus „Warten“.

Und wann herrschen die BESTEN BEDINGUNGEN? Norbert liefert mir die Antwort: "Die optimale Temperatur zum Beschneien liegt bei -7 bis -10 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von 30-40 %. Generell gilt: Je trockener die Luft, desto besser. Zudem sollte es in einer optimalen Schneinacht windstill sein. Ob wir beschneien können, hängt eben von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit ab. Es funktioniert auch bei +1 Grad. Dann brauchen wir aber eine sehr geringe Luftfeuchtigkeit von 10%."

Die GRUNDBESCHNEIUNG dauert etwa einen Monat. Sie ist die Basis für den Naturschnee und sorgt für die Flurerhaltung. Von Mitte Oktober bis Ende Februar wird beschneit. Die Revision der ersten mobilen Kanonen kann somit bereits im März beginnen. Zudem sorgt die moderne Schneehöhenmessung dafür, dass der Schnee von den Pistenbully-Fahrern optimal verteilt wird und eine punktgenaue Schneeerzeugung erfolgen kann. "Wir stellen nur so viel Schnee her, wie notwendig ist. Nicht mehr und nicht weniger. Wir setzen auf Effizienz", erzählt Teamleiter Norbert.


Mein Fazit

Die Arbeit der Beschneier ist äußerst vielfältig. Unglaublich, dass einige Mitarbeiter das ganze Jahr bei der Seilbahn Serfaus als „Schneiber“ angestellt sind. Hättest du das gewusst? Es dreht sich also nicht immer alles um Schnee. Von März bis zum Wintersaisonstart werden Jahr für Jahr alle Beschneiungsanlagen in Schuss gebracht. Während der Winter von Kontrollfahrten geprägt ist, fallen im Sommer für die Mitarbeiter technische Aufgaben an. Handwerkliches Geschick und technisches Verständnis werden vorausgesetzt. „Und auch ein wenig fanatisch muss man für diesen Beruf sein. Meine Jungs brennen für ihren Job“, lächelt Teamleiter Norbert, der bereits seit 1995 bei der Seilbahn Komperdell arbeitet.


Teil 2

Im zweiten Teil dieser Blogserie habe ich die Beschneier bei ihren Kontrollfahrten begleitet. Nicht verpassen und gleich reinkicken!

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